Re: Meine persoenliche Sichtweise ...

Ein sehr besonnener und sachkundiger Kommentar von Andreas. Richtig auch, dass der den Hindus heilige Bagmati der Anfang vom Anfang ist. Richtig auch, dass die kriminellen und korrupten (Ex-Koenig Gyandnra, Ex-Kronprinz Paras, Ex-Premiermister Madhav Kumar Nepal, Deuba und Konsorten, Ex-Aussenministerin Koirala und leider viele andere mehr...) weiter im Hinter- und Vordergrund ihre Taschen (und Wassertanks!!! - der Ex-Finanzminister, sic!) mit dem Geld der (sehr wenigen - etwa ein Prozent aller NepalesInnen zahlt Einkommenssteuer.) Steuerzahler und (sehr vielen) Internationalen Geldgeber vollstopfen. Das Volk ist ihnen egal. Und das Volk weiss und sagt das auch, dass es weiss, dass es den Politikern am Arsch vorbei geht. Die naechsten Wochen werden spannend! Meine persoenliche Meinung: Baburam Bhattarai war ein guter Finanzminister. Baburam Bhattarai ist nun auch ein guter vorlaeufiger "Caretaker". Wenn das Volk direkt waehlen wuerde, wuerde es Baburam Bhattarai als Regierungschef waehlen (laut Umfrage der NEPALI TIMES). Schoene Gruesse, Rolf Schmelzer, Reporter Deutsches Fernsehen in Kathmandu, sunny & warm - www.xing.com/profile/Rolf_Schmelzer - P.S. Der "Konsensus" fand Sonntag Nacht (27.05.) deshalb nicht statt, weil Nepali Congress und UML sich geweigert haben, die strittigen Punkte der demokratisch gewaehlten Verfassunggebenden Versammlung (Die Legislative) zur Abstimmung vorzulegen. Was richtig gewesen waere ; ))

> Lieber Navyo,

> du hast einen ganz wichtigen Punkt erwaehnt, den
> ich noch einmal zu Anfang aufgreifen moechte:

> Es ist definitiv eine ganz schwierige Aufgabe,
> ein Land wie Nepal, dass aus vielen verschiedenen
> Ethnien besteht, von einer seit 1768 bis 2006
> dauernden Koenigsherrschaft verschiedener Dynastien
> in ein neues, demokratisches System 'umzubauen',
> besonders auch mit dem Hintergrund, dass ueber 10
> Jahre bis 2006 eine art Buergerkrieg im Land herrschte,
> der bis heute nachwirkt und viele Probleme hinterlassen
> hat. Das ist schon eine besondere Historie und verlangt
> allen Beteiligten bei Entscheidungsfindungen und Kompro-
> missloesungen sehr viel ab.

> Allerdings hatte die Politik 4 Jahre Zeit, die neue
> Verfassung auf die Beine zu bringen. Vorgesehen sind
> ja nur 2 Jahre und mit einigen Tricks wurde diese Zeit
> schon verdoppelt. Premieminister Baburam Bhattarai
> hat noch im Maerz mit sehr grosser Sicherheit verbreitet,
> dass die neue Verfassung diesmal fristgerecht kommen wird.
> Es wurden Versprechungen gemacht, obwohl in der Ver-
> fassungsgebenden Versammlung und seinen Gremien ein
> totales Chaos herrschte, so dass sich jeder fragen
> musste "wie wollen die das denn noch hinbekommen?".

> Es war bekannt, wie zerstritten die Entscheidungstraeger
> untereinander waren und es wurden die verschiedensten
> Modelle einer Neustrukturierung Nepals praesentiert. Alles
> sehr gegensaetzlich und kaum miteinander vereinbar.

> Trotzdem wurde stur daran festgehalten, die neue
> Verfassung wuerde noch rechtzeitig kommen. Dann vor
> einer Woche der Antrag der Maoisten, die Uebergangs-
> verfassung noch um 3 Monate zu verlaengern. Sehr
> beachtlich und konsequent die Entscheidung des
> obersten Gerichtes, dies abzulehnen.

> Begleitet wurde die Situation von staendigen Streiks
> und Blockaden, die ja Ausdruck der Gegensaetze waren.
> Trotzdem wurden falsche Signale gegeben, es wuerde
> noch alles klappen.

> Am Freitag und Samstag dann noch die Situation, dass
> keine Einigung besteht. Trotzdem wurden von Praesident
> Yadav wieder Signale ausgegeben, es wuerde noch dazu
> kommen. Am Sonntag dann die Nachricht, man haette
> sich nun geeinigt und mit dem Ausrufen der neuen
> Verfassung sei noch vor Mitternacht zu rechnen. Und
> am Ende platzt dann die Seifenblase und alles stellt sich
> als grossen Flop heraus.

> Nun wird vom Premieminister gesagt: das war die richtige
> Entscheidung - blablabla...

> Dass in Deutschland und vielen anderen Laendern politisch
> nicht alles zum Besten steht, ist gar keine Frage. Ich
> kommentiere so etwas mit 'Selbstironie' und es gibt ja
> auch genuegend Abstrafungen. Der Unterschied aber ist,
> dass sich in Nepal so gut wie nichts zu bewegen scheint.
> Die gleichen 'Klabautermaenner' die genuegend (ich sags
> mal auf Deutsch) Scheisse gebaut haben, bleiben im
> politischen Geschehen und meinen, weiterhin eine Legiti-
> mation zu haben, den ganzen Murks weiter zu betreiben.
> Dabei giessen sie 'froehlich' weiter Wasser auf die
> Muehlen radikaler Kraefte und wundern sich nachher,
> wenn es knallt und kracht.

> Nepal ist wohl definitiv noch nicht soweit mit der
> neuen Verfassung, aber das ganze Management drum herum
> ist doch nur eine einzige Katastrophe. Ein Land, dass
> wirtschaftlich von selbst aus ueberhaupt nicht ueber-
> lebensfaehig ist und von permanenter Hilfe aus dem Aus-
> land lebt, glaub alle Zeit der Welt zu haben, um politisch
> die richtigen Weichen zu stellen. Und das Volk wird
> immer schon belogen und betrogen - von allen politischen
> Richtungen!

> Wer denkt denn wirklich mal ans Volk?

> Die Parteien vertreten ihre eigenen Interessen und
> verkaufen doch nur Mogelpackungen, in dem sie sagen,
> sie wurden sich fuer die Interessen des Volkes einsetzten.
> In Wirklichkeit ist das aber doch gar nicht der Fall.
> Es geht um Selbsterhalt, Macht und Geld - wie ueberall,
> nur noch ein wenig schlimmer, wie ich finde.

> Dass der hoechst zwielichtige Koenig Gyanendra, der
> vielleicht ein Bruder- und Koenigsmoerder ist (?)
> (was damals wirklich passierte, wurde ja nie richtig geklaert!)
> oder sein mehrfach unter kriminellem Verdacht stehender
> Sohn Paras an Beliebtheit gewinnen, ist an Rueckwaerts-
> gewandtheit ja wohl kaum zu ueberbieten.

> Nepals Weg kann nicht ein nach Hintengerichteter Weg sein,
> sondern muss stets den Blick nach vorne haben. Nicht alte
> 'Loesungen' koennen das Land in den Tritt bringen, sondern
> neue, fuer deren Konsenz hart gearbeitet werden muss. Es
> muss ein Geist entstehen unter dem Bewustsein, dass es
> zwar ethnische und weitere Unterschiede gibt, aber dass
> es auch gemeinsame Ziele gibt, die fuer alle Nepalis ins-
> gesamt erstrebenswert sind.

> Die USA sind sicher in vieler Hinsicht zu kritisieren.
> Auch dieses Land besteht aus sehr vielen und sehr ver-
> schiedenen Volksgruppen. Was die Amis aber alle gemeinsam
> haben und was sie einfach stark macht ist, dass sie
> trotzdem alle US-Amerikaner sind, egal welcher Herkunft,
> welcher Ethnie sie zugehoeren. Alle wollen 'a good Ameri-
> can' sein und sind sehr stolz auf ihr Land - bei allen
> Unterschieden. Man kann sich nicht mit den USA vergleichen,
> aber grundsaetzlich kann man sich Dinge die gut sind und
> funktionieren abschauen und zum Vorbild nehmen. Was nicht
> gut ist, sollte man natuerlich meiden.

> Nepal kann sich neu ordnen, aber es gelingt nicht,
> weil mit dem alten 'Schmodder' bisher auch nicht
> richtig aufgeraeumt wurde. Es wurde ueber die Vergangenheit
> keine ausreichende Selbstauseinanderdaetzug gefuehrt,
> geschweige dem, die richtigen Konsequenzen daraus gezogen.
> Ich fuerchte, dass man in weiten Teilen gar nicht weiss,
> was eine Selbstauseinandersetzung ist oder wenn man es
> weiss, wird es uebergangen und ignoriert - es koennte ja
> mit Gesichtsverlust zusammenhaengen.

> Ich glaube immernoch: solange der Bagmati eine verdreckte
> Bruehe ist und nichts grundsaetzliches unternommen wird,
> ihn zu saeubern, in zu sanieren und auf dauer sauber zu
> halten, wird das mit Nepal nichts Richtiges. Denn wenn
> ich etwas, was mir heilig ist, mit Fuessen trete, kann
> ich mich nicht gut weiterentwickeln.

> In dem Land muss von Grundauf aufgeraeumt werden -
> wenigstens in einigen wichtigen Bereichen -, sonst
> wird das nichts. Und wenn man Hilfe braucht, sollte
> man nicht um Geld betteln, sondern man sollte sich
> nach Beratung umschauen, sie ernsthaft wahrnehmen
> und viel mehr in Richtung Hilfe zur Selbsthilfe gehen.

> Im Moment steckt Nepal jedenfalls richtig in der
> Scheisse, um es noch einmal ganz klar auszudruecken.

> Die Hoffnung darf man aber auch in so einer Situation
> nicht aufgeben. Wie gesagt, der Blick muss immer auf
> das 'hier und jetzt' und nach vorne gerichtet sein.

> Allen noch einen
> schoenen Pfingstmontag!

> Mit besten Wuenschen
> Andreas

Geschrieben von am 29. Mai 2012 um 19:48 Uhr.

Antwort zu: Meine persoenliche Sichtweise ... geschrieben von Andreas Khanal am 28. Mai 2012 um 13:21 Uhr.


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