Keine Analyse, aber ein paar Gedanken zum Thema! |
Hallo Mike, abgesehen von der Tatsache, dass es in der heutigen Zeit kaum ein Land gibt, in dem kein politisches Kasperl-Theater stattfindet, so sind sowohl der Koenig, als auch die etablierten Parteien - zumindest bis zum heutigen Tag - Machtfaktoren, die durchaus eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Waere dies nicht so, wuerden sie fuer die Maoisten kein Hindernis bedeuten und diese waeren somit laengst an der Macht. Ich versuche hier einmal eine grobe, vereinfachte Darstellung zu geben: Die monarchistische Struktur Nepals reicht zurueck bis ins Jahr 1768, in dem der Gurkhaherrscher Prithvi Narayan Shah das Kathmandutal eroberte. Seither waren entweder die Shahs oder die Ranas mit ihren K�nigen an der politischen Macht. Seit Koenig Narayan ist der jeweilige Koenig in der Geschichte Nepals - unabhaengig davon, welche Regierung gerade an der Macht war oder ist, Oberbefehlshaber der nepalischen Streitkraefte. Wer den Koenig einfach beiseite schieben moechte, hat es somit auch gleich mit der Armee zu tun. Koenig und Armee bilden seit 236 Jahren eine Einheit. Bis 1990 gab es in Nepal das Panchayatsystem, ein Einparteiensystem, dass die koenigliche Macht politisch absicherte und f�r den Koenig die Regierungsgewalt ausuebte. Sowohl der Koenig als auch die jeweiligen Regierungen profitierten gegenseitig von diesem System. Koenig Birendra Bir Bikram Shah Dev musste 1990 aufgrund des oeffentlichen Druckes, durch sowohl friedliche, als auch gewaltsame Demonstrationen, seine politische Macht aufgeben und in eine eher repraesentative Position weichen. Die Vertreter der Nepali Congress Party (NCP) spielten dabei eine bedeutende Rolle. 1991 fanden dann die ersten freien, demokratischen Wahlen statt und Girija Prasad Koirala wurde, an der Spitze der NCP stehend, Premierminister. Die Kongresspartei bildete die erste demokratische Regierung in Nepal. Mit der Zeit entstanden eine Vielzahl von Parteien. Die Demokratie steckte in den Kinderschuhen und es gab seit ihres Beginns ein staendiges hin und her gezerre. Eine Regierung loeste die andere ab. Bei allem Kasperle-Theater, so handelt es sich bei den Parteien jedoch um diejenigen, die f�r sich in Anspruch nehmen, die Interessen des Volkes zu vertreten. Die gesellschaftlichen Schichten und das Volk sind durch diese Parteien repraesentiert. Und wenn sich die Parteinen, von denen hier die ganze Zeit die Rede ist, mit dem Koenig in einem Disput befinden, so ist das fuer Nepal sehr bedeutsam. Hinzu kommt, dass es sich hier nicht nur um unterschiedliche Auffassungen handelt, sondern seit 4. Oktober 2002 ist das demokratische System Nepals ausser Kraft gesetzt. Der Koenig hat seitdem eine nicht verfassungsgem�sse Regierung eingesetzt und �bt selber Regierungsgewalt aus - was ihm laut Verfassung nicht zusteht. Nepal befindet sich derzeit in einer sehr aehnlichen Situation, wie im Jahre 1990. Auch die Konstellation war sehr aehnlich (allerdings mit dem Unterschied, dass damals die Maoisten kein eigener Machtfaktor waren, wie es heute ist). Damals ging die Sache (damit ist gemeint die Klaerung der Machtfrage) relativ friedlich aus. Diesmal koennte es anders werden!
Die Maoisten / Kommunisten haben in Nepal ebenfalls eine gewisse Tradition, die immerhin in die 50er Jahre zur�ck reicht. Sie sind entstanden, da es in Nepal schon immer erhebliche soziale Unterschiede gibt. Dies ist einerseits begr�ndet, auf weltlicher Ebene, durch das K�nigshaus und previlegierte Schichten der nepalischen Gesellschaft, die ueber Jahrhunderte eine Feudalherrschaft fuehrten, andererseits auch auf religioeser Ebene, durch Verquickung weltlicher und religioeser Macht, d.h. die Strukturen des hinduistischen Systems, mit seinen unterschiedlichen Kasten, haben sehr dazu beigetragen, soziale Unterschiede aufrecht zu erhalten. Nachdem 1991 in Nepal die konstitutionelle Monarchie mit ihrem demokratischen Mehrparteiensystem entstand, versuchten die Maoisten, wie auch andere Parteien, sich zu etablieren und ihre politischen Ziele mehr oder weniger im Rahmen der Verfassung durchzusetzen. Sie mussten allerdings feststellen, dass die Seilschaften des Panchayatsystems in die Demokratie hinueber gezogen wurden. Es gab keine Regierung, keinen Machtapperat, kein Beamtentum, keinen oeffentlichen Dienst, der nicht korrupt gewesen waere - bis zum heutigen Tag! Sie wollten mit alledem aufraeumen - kamen aber nicht durch. Schliesslich sind sie in den gewaltvollen Untergrund gegangen und kaempfen gegen den Koenig und die Gesellschaft. Die Wahl der Mittel ist mehr als zweifelhaft, sie sind ausserdem alles andere als demokratisch; im Gegenteil, sie ueben aeusserste Gewalt aus, gegen all diejenigen, die sie nicht unterst�tzen, gem�ss dem Motto 'wer nicht fuer uns ist, ist gegen uns!' Ihre Gewaltbereitschaft war jedoch von Anfang an bis heute, in erster Linie gegen die politischen Gegner, gegen die Gesellschaft, gegen das System gerichtet. Nepal, ein Land dessen Staatshaushalt zu zwei Dritteln aus Entwicklungshilfegeldern aus dem Ausland stammt, ist ein Agrarstaat, mit ein wenig Handwerk- und Teppichindustrie. Zudem ist der Tourismus ein wichtiger Faktor. Rohstoffe, verarbeitende Industrie, Hochtechnologie etc. in dem Sinne, gibt es nicht! Und das sind ja alles keine Neuigkeiten. Auch die Maoisten wissen, wie wichtig das Ausland und die Touristen f�r sie sind. Sie wollen ja nicht nur an die Macht kommen, sondern auch sowohl politisch, als auch finanziell und versorgungsmaessig ueberleben. Das ist ohne Ausland, ohne Touristen ueberhaupt nicht moeglich. Wenn sich die Verhaeltnisse unter ihrer Fuehrung noch weiter verschlechtern wuerden, wofuer haette es sich (ausser ideologischen Zielen) gelohnt zu kaempfen, woher sollten sie dann noch irgendwelchen Rueckhalt erhalten. Es geht den Maoisten vornehmlich um ihre eigenen politischen und ideologischen Ziele. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Land ist das Wichtigste. Touristen sind Devisenbringer. Die Andersartigkeit der Auslaender wird in Kauf genommen, da sie fuer die Menschen als Einnahmequelle von uebergeordneter Bedeutung sind. Die Maoisten sind keine internationalen Terroristen, sondern fuehren einen Kampf im eigenen Land. Es ist erstaunlich, wie wenig in Nepal Touristen in all den Jahren zu Schaden gekommen sind. Einzelfaelle hat es zwar immer wieder auch gegeben, jedoch nicht in einem Umfang, der normalerweise unter diesen ganzen Umst�nden zu bef�rchten gewesen waere. Man kann f�r die Zukunft nicht grundsaetzlich ausschliessen, dass nicht auch Touristen ernsthaft gefaehrdet werden, es liegt bisher jedoch nicht in der Zielsetzung der Maoisten, dies zu tun. Touristen sind dann in Gefahr, wenn sie sich nicht - sei es bewusst oder unbewusst - an die 'Regeln' halten oder versehentlich in eine Konfliktsituation geraten. Die Maoisten haben, was den Tourismussektor anbetrifft, konkret angekuendigt, dass sie Gewaltaktionen gegen touristische Unternehmen (Hotels, Agenturen, Dienstleister, Veranstalter), die der K�nigsfamilie, den Shahs, und den Ranas geh�ren und zuzuordnen sind, durchf�hren werden; nicht mehr und nicht weniger! Es ist derzeit daher wenig ratsam, sich in die Obhut solcher Unternehmen zu begeben, da man sich dadurch gleichzeitig zur Zielscheibe machen koennte. Bisher gibt es keine weiteren Anhaltspunkte dafuer, dass 'Normalreisende' derzeit oder zukuenftig mehr oder weniger gefaehrdet sind, als bis zum heutigen Tag. Wer nach Nepal reist, muss in jedem Fall vorsichtig sein und alle wichtigen Regeln beachten; eine weitgehende Zunahme von unmittelbarer Gefahr, gibt es nach meinem Kenntnisstand bis jetzt jedoch nicht (Ausnahmen bestaetigen die Regel). Die Sicherheitshinweise des auswaertigen Amtes sollten beachtet werden. Ich warne davor drohende Gefahren subjektiv falsch einzuschaetzen. Wer nach Nepal reist, sollte lieber doppelt vorsichtig sein, als zu wenig.
In letzter Zeit gab es sicher wieder Beitr�ge, auf die gut und gerne haette verzichtet werden koennen. Aber auch das Nepal Board spiegelt manchmal ganz gut wieder, was in unserer Gesellschaft vorgeht. Interessant fuer mich war in diesem Zusammenhang, dieser Tage zu lernen, dass es Leute gibt, die einerseits sehr intolerant sind und zugleich die Toleranz anderer bis zum Erbrechen �berstrapazieren. Abschlie�end moechte ich noch bemerken, dass es fuer mich um Nepal in seiner Gesamtheit geht. Fuer Touristen relevante Bereiche koennen daher aus meiner Sicht nur Teil des Ganzen sein. Ich bin sowohl privat als auch beruflich sicher ganz anders involviert, als manch Reisender, der einen kurzen Aufenthalt in Nepal durchfuehrt. Noch sehr viel mehr ausgesetzt sind Leute wie Navyo, die in Nepal selber leben. F�r diejenigen ist es dort sicher nicht einfach in diesen Zeiten. Meine besten Wuensche und Gedanken gelten daher vor allem Navyo mit seiner Familie und allen, die ihren Lebensmittelpunkt in Nepal haben. Herzlichen Dank, fuer den interkontinentalen gedanklichen Austausch und die hilfreichen Einschaetzungen und Beurteilungen. Mit herzlichen gruessen
> Hallo Herr Khanal, > anstatt sich dem politischen Kasperl-Theater vertiefend zu widmen, w�re es (heute) f�r uns Touristen nicht viel interessanter zu analysieren, warum die Maoisten entgegen jeder ihrer bisherigen Erkl�rungen, nun offenbar doch dazu �bergehen, Touristen und deren Einrichtungen direkt anzugreiffen?! Haben sie daf�r eine Erkl�rung bzw. Analyse f�r uns bereit? > Gruss, > Mike
> > > > Eine Analyse von RAJENDRA DAHAL > > Eine Woche nach dem R�cktritt von Surya Bahadur Thapa sind wir immer noch an der Stelle, wo wir letzten Freitag waren. K�nig Gyanendra will das letzte Wort behalten, einen Premierminister auszuw�hlen, jedoch sind die politischen Parteien gleichwohl entschlossen, ihm diese Rolle nicht zuzugestehen. > > Alle drei Gewalten (das f�nf Parteib�ndnis, das RPP und der Deuba Kongress) sprechen nun offen aus, dass der K�nig kein Recht dazu hat, den Premierminister zu nominieren. Sie m�chten, dass die Zusammensetzung des aufgel�sten Parlaments die Kriterien f�r die Auswahl bestimmt. > > K�nig Gyanendra hat eine Reihe f�hrender Politiker und ehemaliger Premierminister empfangen, die zu Einzelaudienzen zum Palast gerufen wurden. Sie kamen alle wieder heraus, um wartenden Reportern zu sagen, dass der K�nig dazu entschlossen ist, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Girija Prasad Koirala, Madhab Kumar Nepal und Narayan Mann Bijukchhe vom f�nf Parteib�ndnis wurden diese Woche gesondert herbeigerufen, lehnten aber ab dorthin zu gehen und teilten mit, dass sie es nur tun w�rden, wenn alle f�nf den K�nig zusammen treffen k�nnten. > > Der K�nig hat nicht gesagt, dass er sie nicht treffen w�rde. Aber ebenfalls hat er sie auch nicht gemeinsam eingeladen. Die Strategie scheint zu sein, sie einzeln zu kurzen Gespr�chen zum Palast zu rufen, um das B�ndnis zu beeinflussen und zu teilen. Der K�nig k�nnte das B�ndnis jetzt m�glicherweise einladen - auch bei der Besprechnung einbezogen die RPP, den Deuba Kongress und Sadbhabana -, um die Forderungen der f�nf Parteien einzud�mmen. > > Koirala und Nepal trafen sich am Donnerstag, um Pl�ne zu entwickeln, in Erwartung eines pl�tzlichen Aufrufs aus dem Palast. Eine der Optionen, die von dem Kongress und dem UML Kader vorgebracht werden, um die gegenseitige Blockierung zu brechen, ist, dass Koirala und Nepal f�r f�hrende Politiker aus der zweiten Reihe, wie Ram Chandra Poudel vom Kongress und KP Olis von der UML, zur Seite treten. > > Das Gerangel geht also weiter. Die Parteien versuchen, den K�nig durch ihre Stra�enproteste, die zunehmend von f�hrenden Studentenpolitikern beherrscht werden und offen f�r die Republik eintreten, unter Druck zu setzen, den Stand des 4. Oktober wieder herzustellen,. > > F�r seine Position hat K�nig Gyanendra den Parteien absichtlich verwirrende Signale gesandt, um sie im Ungewissen zu lassen. Der Palast k�nnte immer noch versuchen, die Parteien mit einem technokratisch gef�hrten Kabinett zu �berlisten, das dazu f�hig w�re, einen Handel mit den Maoisten abzuschlie�en und ein Datum f�r Wahlen festzulegen. > > Das Fenster der M�glichkeit zu einer politischen L�sung wird besorgniserregend enger, und die L�sung der noch ernsteren Angelegenheit des Maoistenaufstandes verschiebt weiter und schw�cht die F�higkeit des Staates, der in den kommenden Wochen angedrohten Eskalation von Gewalt durch die Rebellen zu entsprechen. > > --- > > F�r Richtigkeit und Vollst�ndigkeit der sinngem��en �bersetzung: > > Andreas Khanal
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Abgeschickt von am 16. Mai 2004 um 11:02 Uhr
Antwort zu: Re: Bericht zur derzeitigen politischen Situation (aus Nepali Times) geschrieben von Mike am 15. Mai 2004 um 13:14 Uhr: |