Zur aktuellen Situation in Nepal


Liebe Nepalfreunde,

wie sieht es aus, mit Nepal?

Das fragen wir uns wohl alle fast taeglich.

Eine Einschaetzung der Lage kann immer nur subjektiv sein,
das zeigte auch wieder der Nepal-Tag in Bonn. In vielen
Punkten scheint es bei Fachleuten Uebereinstimmungen in
der Lagebeurteilung zu geben - trotzdem hat da jeder
seinen eigenen Standpunkt.

Ich versuche noch einmal das Wichtigste zusammenzufassen:

Derzeitiger Knackpunkt ist die seit ca. 2 Jahren vorbereitete
und fuer 28. Mai 2010 geplante Ausrufung bzw. Verabschiedung
einer neuen Verfassung.

Ueber einzelne Punkte gibt es zwischen den Parteien und
den Maoisten Meinungsverschiedenheiten.

Derzeit gibt es eine Uebergangsverfassung, die zum 28. Mai
auslaeuft. Als damals der Zeitplan fuer die neue Verfassung
vorgegeben wurde, so ist man in Nepals Politik davon ausge-
gangen, dass dieser Termin 'selbstverstaendlich' eingehalten
wird.

Die Frage, wass im Falle zu geschehen hat, wenn dieser
Termin nicht zustande kommt, wurde offenbar weitgehend
ausgeklammert. D.h., die haengen verfassunsgmaessig
gesehen 'in den Seilen', wenn das Projekt jetzt erst
einmal scheitert.


Kurzer Rueckblick (stark zusammengefasst):

Nachdem Koenig Gyanendra im April 2006 aus dem Amt gejagt
wurde, dass er sich zuvor durch Verfassungsbruch angeeignet
hatte, wurde der Friedensprozess durch die 7-Parteien Allianz
mit G. P. Koirala an der Spitze und den Maoisten eingeleitet.

Zu bemerken ist, dass zwar die Maoisten viel Druck ausgeuebt
haben, damit der Koenig den Weg frei machte, jedoch war der
ausschlaggebente Faktor die Zivilgesellschaft, die durch
ihre Friedensdemonstrationen den Koenig zum Kippen gebracht
hat. Nicht die Maoisten, sondern die Zivilgesellschaft
traegt den Hauptanteil dieser gravierenden politischen
Veraenderung.

Es wurden mehrere Hundert maoistische Kaempfer aus
den Gefaengnissen entlassen. Die Maoisten haben sich
von der Gewalt losgesagt und im Gegenzug wurde die
Abschaffung der Monarchie, eine neue Verfassung und
die Ausrufung einer Republik in Aussicht gestellt.
Geplant war die Eingliederung der maoistischer
Kaempfer in die Armee und in die Zivilgesellschaft.

Am 10. April fand die Wahl fuer die Verfassungsgebende
Versammlung statt. Die Maoisten erhielten den hoechsten
Stimmenanteil (ca. 30%), verfehlten aber die absolute
Mehrheit. Die Folge war, dass nur eine Koalitionsregierung
zustande kommen konnte.

Festzuhalten ist, dass es sich hierbei nur um eine
Interimsregierung handelte!

Am 28. Mai 2008 wurde die 'Demokratische Bundesrepublik'
schliesslich ausgerufen. Die fuer die Dauer von 2 Jahren
vorgesehene Ubergangsverfassung trat in Kraft.

Am 21. Juli 2008 wurde Ram Baran Yadav zum ersten
Praesidenten der Republik Nepal gewaehlt.

Am 15. August wurde Prachanda zum Premierminister gewaehlt.

Prachanda wollte nun die Eingliederung der maoistischen
Kaempfer in die Armee vorantreiben. Der Armeechef Rookmangud
Katawal und die Armee insgesamt weigerten sich aber, die
Kaempfer in ihre Reihen aufzunehmen. Die hatten sich ja
schliesslich Jahrelang mit aller Haerte bekaempft!

Der Machtkampf bekam einen Hoehepunkt. Am 3. Mai 2009
entliess Prachanda schliesslich den Armeechef. Daraufhin
veliessen einige Parteien die Koalitionsregierung. Praesident
Yadav erklaerte die Entlassung des Armeechefs wiederum
fuer ungueltig, woraufhin Prachanda als Premieminister
zuruecktrat, da ihm klar wurde, dass er sich in einem
ganz wichtigen Punkt nicht durchsetzen konnte.

Zu beachten ist, dass die Maoisten zwar mit ca. 30%
die staerkste Fraktion in der Koalition bildeten,
dennoch damit aber nicht die Mehrheit in der Koalition.

Und, wie bereits erwaehnt, die Armee, aber auch die
Mehrheit in der Koalition moechten bis zum heutigen
Tag nicht, dass die Armee durch Maoisten unterwandert
sowie die Befehlsstrukturen aufgeweicht werden und
die Befehlsgewalt in deren Haende gelangt.

Natuerlich laeuft das Machtgezerre von beiden Seiten
nicht verfassungsgemaess ab. Die Vorstellungen und
Interpretationen sind bei allen Beteiligten sehr
unterschiedlich. Jede Seite legt die Dinge zu eigenen
Gunsten aus.

Der Nachfolger von Prachanda im Amt des Premieministers
ist der Fuehrer der Marxisten-Leninisten Madhav Kumar Nepal.
Dieser moechte die Ausrufung der neuen Verfassung am
28. Mai 2010 am liebsten durchziehen.

Die Maoisten halten Pramieminister Nepal jedoch nicht fuer
rechtmaessig und fordern seinen Ruecktritt. Dabei ist es
dann als Druckmnittel zum Generalstreik Anfang Mai gekommen.

Die Maoisten haben auch in der Vergangenheit immer wieder
versucht, Generalstreiks als Druckmittel einzusetzen und
sie haben stets ihre Kaempfer und Jungendorganisationen
mit in die Waagschale geworfen.

Einerseits haben sie dadurch ihre Macht ausgespielt,
andererseits ist das aber nicht gerade eine vertrauens-
bildende Massnanahme, wenn man immer wieder mit
erpresserischen Mitteln versucht, seine Ziele durchzu-
setzen.

Die Zivilgesellschaft hat nun jedenfalls reagiert und
sich durch die Friedensdemonstration zurueckgemeldet,
ins politische Geschehen.

Nun gibt es natuerlich ein komplettes Durcheinander.
Die Maoisten wollen den Ausruf der Verfassung zum
jetzigen Zeitpunkt zum Fall bringen. Die amtierende
Regierung moechte das aber durchziehen, der Premierminister
im Amt bleiben. Die Business Community moechte ebenfalls
durchziehen. Aus der Zivilgesellschaft kommen unterschiedliche
While this isn’t surprising news — Coinbase has had KYC poloniex verification policies from the beginning, — some users are still holding onto the ‘decentralized, anonymous’ dream. Stimmen. Es gibt Politiker, die mittlerweile Personen
fuer die Nachfolge von Praesident Nepal handeln. Die
Maoisten hatten zwischendurch mal gesagt, ein Nachfolger
von Praesident Nepal koenne aus jeder Partei kommen und
muesse kein Maoist sein. Ob das aber wirklich ernst gemeint
war - wer weiss es?

--

Warum wird in dieser Situation so hart gekaempft?

Die Maoisten haben zum Ausdruck gebracht, dass sie, wenn
sie wieder an die Macht kommen, diese nicht wie im Mai
2009 wieder loslassen werden. Diesen Fehler wollen sie
kein zweites Mal machen.
Die Parteien und grosse Teile der Zivilgesellschaft trauen
den Maoisten aber nicht und moechten ihnen nicht die
'absolute ' Macht uebertragen. Letztendlich wird ein
Systemwechsel befuerchtet.

Entscheidend ist, welche Seite zum Zeitpunkt der Ausrufung
einer neuen Verfassung an der Regierung ist, da in diesem
Zusammenhang im ganzen Land viele neue Posten zu besetzen
sind. Wer gerade an der Macht ist, hat dadurch einen
langfristigen Vorteil.

Grundsaetzlich problematisch ist, dass zwischen den
Parteien keine wirklich klaren Absprachen und Vereinbarungen
bestehen und die Dinge, wie schon erwaehnt, zum einenen
Vorteil ausgelegt werden. Und manches ist auch gar nicht
klar definiert.

Es wird z.B. viel von Demokratie geredet, welche Form
der Demokratie in Nepal aber bestehen soll, dass weiss
scheinbar keiner so genau oder es wird vermieden das
klar zu definieren.

Beim Nepal-Tag in Bonn wurde diesbezueglich erwaehnt,
dass es zur Zeit in der Welt 26 verschiedene Formen
von Demokratie gaebe. Auf die Frage, welche Form der
Demokratie die Maoisten denn haben wollten, habe Dr.
Baburam Bhattarai geantwortet 'die 27. Form'!

Was auch immer das heissen mag?!

Die Maoisten und auch andere Parteien aeussern sich
oft sehr unklar und schwammig zu dem, was sie eigentlich
wollen. Das Ganze ist ein einziges Dilkemma.

--

Was wird denn nun kommen? Generalstreik ab 25. Mai
'ja' oder 'nein'?

Ruecktritt des Premierministers 'ja' oder 'nein'?

Neue Verfassung am 28. Mai 'ja' oder 'nein'?

Dazu gibt es fast jeden Tag unterschiedliche Entwicklungen.

Es ist eine reine Mutmassung: ich persoenlich koennte mir
vorstellen, dass der Termin fuer eine neue Verfassung erst
einmal herausgeschoben wird. Um 6 Monate oder 1 Jahr. Der
Premieminister wird irgendwie aus dem Amt geschoben. Ein
neuer Premieminister wird ernannt. Kein Maoist. Mit einem
neuen Premierminister wird versucht, ein wenig besser
auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Die Maoisten werden
irgendwie einbezogen werden muessen. Die neue Verfassung
wird kommen. Hoffentlich! Wann? Voellig offen!

Werden die Maoisten, wenn sie nicht genuegend Beruecksichti-
gung finden wieder ihren Gewaltvoellen Kampf aufnehmen?

In Form eines erneuten Buergerkrieges scheint dies nach
Einschaetzung von Experten eher unwahrscheinlich. Beim
letzten Mal hatten sie eine lange Vorbereitungszeit und
konnten ihre Kraefte ueber Jahre formieren. Nun aber sind
auch sie, was ihre paramilitaerische Schlagkraft im Gesamten
anbetrifft, sicherlich geschwaecht. Diese ganzen Jahre sind
auch an den Maoisten nicht spurlos voruebergegangen. Sie
ueben zwar Lokalmacht aus, aber auch nach all den Jahren
sind sie nicht wirklich an der Macht - bisher jedenfalls
nicht im Machtzentrum des Landes, in Kathmandu. Sie wollen
an die Macht, aber bis jetzt sind sie es nicht.
Die Kaempfer lungern im Grunde genommen in irgendwelchen
Lagern herum und es gibt keine richtige Beschaeftigung
fuer sie. Gerade die jungen Leute werden kaum etwas gelernt
haben. Sie sind arm, sie sind froh, wenn sie etwas zu Essen
und zu trinken haben. Und die Maoisten sind zersplittert,
in verschiedene Gruppierungen. Es gibt gemaessigte und es
gibt radikale Gruppen. Die radikalen Gruppen wuerden sich
nicht langfristig durchsetzen koennen. Sie sind zu radikal
und zu wenig intellektuell. Um an der Staatsmacht zu sein
braucht es aber einen intelektuellen Unterbau.

Es kann allerdings passieren, dass die Maoisten verstaerkt
zum Terrosismus uebergehen. Dass sie vielleicht vermehrt
Bombenanschlaege oder aehnliches durchfuehren. Das ist
alles schwer zu sagen. Grundsaetzlich haben die Maoisten
recht gute Verbindungen zu den Nalaxiten. Das ist das
indische Pendant. Die Nalaxiten sind extrem Gewalttaetig
und verantwortlich fuer viele Terroranschlaege in Indien.
Gerade gestern hat es da wohl wieder einige Tote gegeben.

Wer mit den Nalaxiten 'gemeinsame Sache' macht, wird
letztendlich in der nepalischen Zivilgesellschaft nicht
ankommen. Und die Zivilgesellschaft wird in einem - wie
auch immer 'demokratischen' Nepal - in Zukunft wichtig
sein.

China und Indien haben grundsaetzlich eher ein Interesse
an einer politischen Stabilisierung Nepals.

China ist daran interessiert, die Exiltibeter in Nepal
im Griff zu haben. Indien hingegen will bestimmt
keinen Maoistischen Nachbarstaat, der den indischen
Nalaxiten ein Vorbild sein koennte. Ausserdem waere
damit zu rechnen, das Nepal ein Waffen-Durchgangsland
werden koennte und die Nalaxiten besser mit Waffen
versorgt wuerden.

---

Es bleibt zu hoffen, dass die Zivilgesellschaft in
Nepal an Staerke gewinnt und Nepal einen 'Mittelweg'
einschlaegt. Das waere warscheinlich das Vernuenftigste.

Die Bevoelkerung muss ernaehrt, gebildet, sinnvoll
beschaeftigt und gesundheitlich versorgt werden -
und wenn die Menschen ein gewisses finanzielles
Auskommen haetten, das waere natuerlich auch ganz
wichtig. Das sind meiner Meinung nach die Grundprobleme,
die zu bewaeltigen sind. Wer es schafft, diese Probleme
verstaerkt anzupacken und kleine Erfolge erzielt, hat
die Chance das Land aus den groessten Schwierigkeiten
heraus zu fuehren. Geschehen muss dies ohne Einsatz
von Gewalt.

---

Mit herzlichem Gruss
Andreas




Abgeschickt von Andreas Khanal am 17. Mai 2010 um 18:40 Uhr.


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