Re: Zu meiner Glosse

Lieber Andreas Khanal,

danke sehr fuer deine Ausfuehrungen. Ich habe meine Gedanken zu dem Thema weiter unten zusammen gefasst. Es ist aus Zeitgruenden nur ein Ausschnitt.

Ich moechte in Erinnerung rufen, dass die Maoisten den Koenig und sein undemokratisches Herrschaftssystem gestuerzt haben. Dafuer waren leider lange gewalttaetige Auseinandersetzungen mit der Armee des Koenigs notwendig.

Der Koenig hat seine Macht nicht aufgeben wollen, sondern diese mit Gewalt durchsetzten wollen. Er haette auch nachgeben koennen, hat er aber nicht.

Auch die Maoisten haetten sich dem Koenig beugen koennen, mit der Folge, dass ein zutiefst ungerechtes und unsoziales hinduistische System, dass auf dem Kastenwesen basiert, fortbestand haette.

Die Abschaffung der Monarchie und die Gruendung einer Republik Nepal ist den Maoisten zu verdanken. Keine andere politische Kraft haette dieses zustande gebracht. Die Maoisten hatten in der Zeit einen grossen Zulauf und Rueckhalt in der Bevoelkerung.

Die Bestaetigung ihrer Politik kam dann nochmals 2008 zum Ausdruck. Bei den Wahlen erhielten die Maoisten ueber 30% der Waehlerstimmen und damit waren sie die staerkste Partei. Von erpressten und erzwungen Stimmabgaben hat die Un-Wahlkommission nichts berichtet.

Auch der Generalstreik der letzten Woche verlief geordnet und weitgehend friedlich, gemessen an dem was in Griechenland und Berlin zu sehen war. In diesem Zusammenhang passt das Bild, dass du von den maoistischen Aktivisten zeichnest, nicht mit dem ueberein, was ich gesehen und gelesen habe. Sicherlich gab es den einen oder anderen Jugendlichen der nicht freiwillig oder nicht 100% ueberzeugt nach Kathmandu gereist ist. Aber viele waren ueberzeugt, dass konnte man sehen. (Ich versuche die Jugendlichen ernst zu nehmen und bin ueberzeugt, dass sie ueber ein Urteilsvermoegen verfuegen)

Die Maoisten haben eine Wandlung vom bewaffneten Kampf hin zu einer parlamentarischen Partei vollzogen. Ihre ehemaligen Kaempfer sind immer noch interniert in Lagern im Terai, waehrend die Armee und auch die Kriegverbrecher in der Armee weiterhin im Dienste des Staates stehen und nicht zu Rechenschaft gezogen wurden.

Eine Integration der Kaempfer in die Armee, wie im Friedensvertrag vereinbart, wird von der Armee und anderen reaktionaeren Kraeften seit Jahren hintertrieben. Das dieses Vorgehen nicht zur Entspannung und Vertrauen fuehrt, liegt auf der Hand.
Please wait, poloniex order sit back and relax. Natuerlich ist es den Maoisten nicht zuzumuten, den Status Quo, den Sie im Friedensvertrag erreicht haben schrittweise wieder aufzugeben.


Zur Zeit sind die Maoisten, die einzige Kraft, die den Stillstand in Politik brechen und den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben koennen. Laut Umfrage in der Nepali-Times werden mit Abstand den beiden Maoisten Pushpa Kamal Dahal und Bhattarai die Fuehrung des Landes zugetraut. Die anderen Partein haben keinerlei Persoenlichkeiten anzubieten.

Ich bin der Meinung, dass gerade die Maoisten, mit ihrer Moeglichkeit der Mobilisierung der Bevoelkerung zum ausserparlamentarischen Protest ein wichtiger Motor fuer Veraenderung sind. In der Regierungszeit der Maoisten und UML hat sich gezeigt, dass auf parlamentarischer und administrativer Ebene sich Kraefte, die einen Wandel im Land einlaeuten wollen, leicht ausbremsen und ausschalten lassen.

Du schreibst ja zu Recht, dass keine wirkliche Demokratie in Nepal herrscht, sondern nach wie vor alte Seilschaften aus hochkastigen Familien die Macht in den Haenden halten. Ihre Interessen werden durch gekaufte Politikvertreter gesichert. Es gibt z.B. keinen Politikskandal, in dem nicht Nepal Congress verwickelt war und ist.

Auch ich finde die politische Situation in Nepal extrem schwierig und unbefriedigend. Jedoch ist muss man sehen, dass das Land erst kuerzlich mit dem Einueben von Demokratie begonnen hat. Begrenzte Bildung, erschoepfte Ressourcen, das weite Auseinanderklaffen von Arm und Reich und ausgepraegte Individualinteressen machen eine demokratische Entwicklung nicht gerade einfacher.

Von daher wird Nepal radikale Kraefte, wie die Maoisten auch in Zukunft „produzieren“ und zugleich brauchen, um auf den Weg einer Sozialstaatlichkeit zu gelangen.

Fuer einen Systemwechsel der Maoisten (zweites Kuba) sehe ich keine Anzeichen. Es wird um realpolitische Ziele gehen wie z.B. den gesellschaftlichen Reichtum gerechter zu verteilen (ueber Steuern und Abgaben), Bildung, Rechtstaatlichkeit etc.

Ich versuche Nepal in seiner historischen Entwicklung zu sehen und zu deuten und das westliche Wohlfuehl-Luxus-Demokratieverstaendnis einer Zivilgesellschaft abzulegen.

Anders kann ich mir die Begriffe Maoisten, Marxisten-Leninisten und Koenige in der heutigen Zeit nicht erklaeren, sind sie doch auf dem Haufen der Geschichte bereits viele Jahre abgelegt – in Europa, in Nepal nicht.

Redliche Politiker wuensche ich mir auch. Ich glaube aber, diese kommen nur dann, wenn die Bevoelkerung sie vehement einfordert. Wie redlich die Maoisten in der foederalen Republik wirklich sind, muss sich erst noch herausstellen. Es liegt aber nicht nur in den Haenden der Maoisten; Redlichkeit muss auch von den anderen Parteien zugelassen werden. (Konsens- und Loyalitaetsprinzip)

Schoen, dass wir unterschiedliche Ansichten haben.

Viele Gruesse
Brun


>
> Liebe(r) Brun,

> bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Glosse,
> d.h., es ist eine Form des Kommentars. Eine Glosse
> muss man normalerweise nicht naeher erlaeutern oder
> begruenden. Sie steht da fuer den Betrachter, so
> wie sie ist. Manches versteht man, manches nicht,
> es ist heiteres, aber im naechsten Moment vielleicht
> auch bitter boeses oder eine gewisse Ironie enthalten.
> Egal ob sie Zuspruch oder Ablehnung findet, sie ist
> gedacht, zum Nachdenken anzuregen (was Dich anbetrifft,
> so ist das ja gelungen:-).

> Ich moechte Dich mit Deinem Grundanliegen nicht im
> Regen stehen lassen und auch nicht, dass das arrogant
> verstanden wird, wuerde ich nicht naeher darauf
> eingehen.

> Gerne versuche ich, diese Glosse in eine klarer
> verstaendliche Sprache zu 'uebersetzen' und ich
> werde meinen Standpunkt auch noch weiter ausfuehren.
> Ich hoffe, das dadurch Missverstaendnisse ausgeraeumt
> werden.

> Ich haette als Titel auch waehlen koennen:

> 'Kommentar zur aktuellen Lage in Absurdistan'

> oder so aehnlich.

> Es gab in letzter Zeit einige Beitraege, die die
> Rolle der Maoisten als positive Option fuer Nepals
> politische Zukunft zum Ausdruck gebgracht haben.

> Das sehe ich ganz anders.

> Die derzeitige Ausgangslage ist der gerade beendete
> Generalstreik, die Ruecktrittsforderungen an den
> derzeitigen Premierminister und der zum Stillstand
> gekommene Friedensprozess.

> Der ganze Komplex ist fuer Nepal
> natuerlich aeusserst negativ beladen.

> Die Maoisten haben meiner Meinung nach in den Jahren
> immer wieder ein falsches Spiel gespielt. Sie sind
> gewiss nicht die Retter der Nation und gewiss nicht
> die 'Loesung ueberhaupt'! Dies wollen uns manche
> Glauben machen, vielleicht aus Unkenntnis, vielleicht
> aus ideologischen Gruenden, vielleicht aus Naivitaet -
> die Motive moegen da unterschiedlich sein.

> Ich gehoere zu denjenigen, die sich seit Jahren und auch
> recht intensiv mit der politischen Problematik des Landes
> auseinandersetzen. Obwohl ich mich bemuehe, stoesst mein
> Durchblick in diesem ganzen Wust und Durcheinander
> immer wieder an seine Grenzen. Ich bin ganz sicher
> nicht allwissend und mir ist die Kompliziertheit von
> alldem voellig klar. Eine 'beste' oder auch nur 'gute'
> Loesung hat natuerlich keiner - auch wenn uns manche
> das glauben machen wollen.

> Was die Monarchie diesem Land gebracht hat, wie sie
> ihr Volk belogen und betrogen hat, steht ausser Frage.
> Koenig Gyanendra ist entmachtet - ohne Macht ist er
> jedoch keineswegs. Ohne Zweifel zieht er hinter den
> Kulissen weiterhin Strippen. Der Moment fuer ein
> politisches Comeback ist bisher nicht gekommen.
> Vielleicht wird er auch nie wieder kommen. Wenn
> sich aber eine Gelegenheit fuer ihn bietet, wird
> er sie nutzen. Gerade Gyanendra ist meiner Einschaetzung
> nach fanatisch Machtbesessen. Er ist gewichen, weil es
> gar nicht anders ging, jedoch wird er sich mit dieser
> Rolle in der nepalischen Geschichte nicht zufrieden
> geben. Er wird irgendwann versuchen, selber wieder
> Macht auszuueben oder den Weg fuer Paras zu ebnen.
> Das waere natuerlich verhaengnisvoll und wuerde das
> Land keinen Schritt voran bringen - im Gegenteil!

> Zwar hat sich das Volk insgesamt vom Koenig und der
> Monarchie getrennt, die Strukturen sind aber noch
> vorhanden und koennen nicht einfach beseitigt werden.
> Der Koenig ist noch immer irrsinnig vermoegend und
> 'haellt seine Pferde am Laufen'.

> Ich sehe keine grosse akute Aktion seitens des Koenigs,
> dennoch muss man da immer ein Auge darauf haben.

> Was hat die Abloesung von der Monarchie gebracht?

> Es besteht eine 'demokratische' Regierung aus 7 Parteien.
> An Geld und Macht sind natuerlich alle interessiert
> (das duerfte jedem einleuchten), um das Volk und seine
> wirklichen Belange schert aber von denen kaum jemand.
> In Wirklichkeit ist das ein zerstittener 'Sauhaufen',
> bei dem jeder versucht, sich an der Macht zu halten.

> Die Maoisten, deren Wurzeln auf die seit 1949
> entstandenen kommunistischen Stroemungen Nepals
> zurueckreichen, sind ein eigener politischer
> Machtfaktor. Es gibt verschiedene kommunistische
> Gruppierungen, die Maoisten jedoch sind die staerkste
> davon.

> Nicht dass der Kommunismus oder Maoismus in reinster
> Urform etwas schlechtes waeren. Die nepalischen Maoisten,
> die historisch und natuerlich aus ihrer Ideologie her
> begruendet die Erzfeinde der Monarchie und des politischen
> Establishments sind, haben sich deswegen von den anderen
> in etwa gleichgesinnten Gruppierungen abgehoben, da
> sie am radikalsten, militantesten, aggressivsten, brutalsten und fanatischten vorgegangen sind.

> Ihr 'Erolg' begruendet sich nicht auf gute, saubere
> Ueberzeugungsarbeit und Vorbildfunktion, sondern
> basiert auf die Verbreitung von Angst und Schrecken.

> Die Maoisten haben ab einem bestimmten Punkt die
> Gewalt in aeusserster Form gewaehlt, so dass es
> im 'Zusammenspiel' mit der Armee, die in der
> Gewaltausuebung keinen Deut besser war, zu ganz
> schlimmen Handlungen kam. Leidtragend war immer
> die einfache Bevoelkerung.

> Die Menschen moechten eigentlich einfach nur halwegs
> friedlich leben und wuenschen sich kleine Verbesserungen,
> die ihr Leben erleichtern und ihren Kindern eine bessere
> Zukunft bereiten. Bildung ist da ein ganz wichtiger Punkt.
> Sie werden jedoch zerrieben, zwischen dem bestehenden
> Ausbeutersystem und dem Terror der Maoisten, die ihnen
> ihre Ideologie aufzwingen. Die Menschenmassen, die
> mobilisiert werden, kommen durch massiven Druck zustande.

> Wenn die Maoisten nicht gekaempft haben, so haben sie
> immer wieder das Land mit ihren Generalstreiks lahmgelegt
> und das Leben der Menschen noch mehr erschwert. In erster
> Linie fuehren sie ihren Weg zum Selbstzweck durch um
> Macht ausueben zu koennen.

> Besonders die Frauen, die in Nepal die Hauptlast tragen,
> haben doch auch in Einflussgebieten der Maoisten keine
> wirklichen Erleichterungen erfahren. Und wenn, dann doch
> nur diejenigen, die sich der maoistischen Ideologie
> gegenueber kooperativ und konform verhalten haben.

> Wessen sich viele sich nicht so sehr bewusst sind, ist,
> dass Nepal eine totale 'Maennergesellschaft' ist. Bei
> den Maoisten mag es 'Vorzeigefrauen' geben, in der
> Fuehrungsspitze und an Schluesselpositionen sind sie
> jedoch nicht zu finden. Sie werden, wie eh und jeh als
> Mittel zum Zweck oder als ausfuehrende Gewalt verwendet.
> Wirklich zu sagen haben sie nichts - auch bei den
> Maoisten nicht!

> Die Anspielung auf Paras und seinen Zopf ist eine
> spielerische Andeutung auf das uebersteigerte
> Maennlichkeitsgehabe, dass sich durch das ganze
> Land zieht. Das ist nicht immer vordergruendig
> oder aeusserlich zu erkennen, in der Sache stellen
> sich die Maenner jedoch immer voran. Das ist im Rest
> der Welt nicht ganz so viel anders, in Nepal ist es
> aber sehr viel staerker ausgepraegt als viele ahnen.

> Besonders die Gewalt, die von allen Seiten, ganz
> besonders aber von den Maoisten den Frauen, Kindern
> und Jugendlichen angetan wurde, ist nicht zu
> entschuldigen.

> Mir ist nicht bekannt, dass die Mainstream-Parteien
> (vom Koenig ganz zu schweigen) oder die Maoisten
> jemals oeffentlich eroertert haben, welch schlimme
> Geschehnisse ihr Konflikt fuer die Bevoelkerung
> hervorgerufen hat. Welches Ehlend fuer manche
> Menschen dadurch entstand.

> Wer hat sich in irgend einer Weise entschuldigt oder
> sein Bedauern ueber Opfer geaeussert. Nein, es wurde
> immer nur gerechtfertigt, dass diese Opfer notwendig
> gewesen seien.

> Die Maoisten haben auch Kinderheime erpresst, um
> Geld zu bekommen, da diese ja Geld aus dem Ausland
> erhalten. Und sie tun es immer noch!

> Dass Prachanda im Mai 2009 von seinem Amt des
> Premierministers zurueckgetreten ist, hat er
> doch nur aus Strategie und politischem Kalkuel
> getan, da er nicht durchsetzen konnte, dass
> die maoistischen Kaempfer in die Armee integriert
> wurden.

> Es geht um die Machtuebernahme fuer das ganze Land.

> Der Hauptmachtfaktor ist die Armee und Prachanda
> versuchte ueber seinen politischen Aufstieg die
> Macht darueber zu erlangen. Klar, dass er seine
> Chance darin sah, die Armee mit seinen Maoisten
> aufzufuellen und einen dadurch einen groesseren
> Einfluss zu haben.

> Wer die Armee im Griff hat, bestimmt wo es lang
> geht. Das restliche Parlament versucht alles,
> um zu verhindern, dass die Armee in die Haende
> der Maoisten gelangt.

> Es sollte eigentlich jedem klar sein, dass eine
> richtige Regierungsuebernahme durch die Maoisten
> nicht einfach nur ein Machtwechsel in der Parteien-
> landschaft bedeutet, sondern damit waere in Nepal
> letztendlich ein Wechsel des politischen Systems
> verbunden.

> Aus mit 'Demokratie'.

> Zwar gibt es auch jetzt keine wirkliche Demokratie,
> aber das System an sich hat sich dazu bekannt, und
> wenn ueberhaupt kann nur auf dieser Basis vielleicht
> eines Tages eine 'Halbwegs'-Demokratie entstehen.

> Die Maoisten sind sicher keine Demokraten. Sie
> druecken dem Land ihren Stempel auf und die Freiheit
> bleibt auf der Strecke. Wie es in Kuba aussieht,
> duerfte seit langem bekannt sein.

> Nepal ist in der jetzigen Situation und
> eigentlich schon seit Langem unregierbar.

> Keine der jetzigen Kraefte verheisst etwas Gutes.

> Seit Ausrufen der Republik hat sich nichts wirklich
> Postitives bewegt. Das Land ist im Stillstand und
> in Gefahr, dass es noch schlechter wird.

> Das Ganze ein absurdes Theater.

> Nepal hat nur eine Chance auf eine bessere Zukunft,
> wenn das Land mit sich selber aufraeumt und integere
> Personen in die Politik geraten, die modern und
> im wirklichen Sinne des Volkes denken und handeln.

> Es ist nicht so, dass es solche Leute nicht gaebe,
> aber es wuerde wohl Jahre dauern, bis da etwas
> ernsthaftes aufkeimt.

> Liebe(r) Brun, ich weiss nicht, ob Du meine Sichtweisen
> teilst, vielleicht sin dsie aber deutlicher geworden.

> Allen einen schoenen Feiertag!

> Mit herzlichem Gruss
> Andreas
>

>
>

>
>

>

>


>

>

>
>

>
>
>

>

Abgeschickt von Brun am 14. Mai 2010 um 14:34 Uhr.

Antwort zu: Zu meiner Glosse geschrieben von Andreas khanal am 12. Mai 2010 um 21:14 Uhr.


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