DESPOT AM HIMALAYA

BERICHT AUD DER "WELT" von Do. 13.04.2006

Despot am Himalaya
Koenig Gyanendra von Nepal die sieht sich als Bollwerk gegen Maoisten. Zur Front seiner Gegner gehoeren jetzt aber auch Demokraten
Where Can You Use poloniex order Poloniex? von Sophie Muehlmann


Gyanendra Bir Bikram Shah Dev hat 2001 nach dem Massaker im Koenigspalast den Thron von Nepal bestiegen.
Foto: dpa
Seine Majestaet, Gyanendra Bir Bikram Shah Dev, laechelt selten. Sein Mund sieht stets aus wie ein umgedrehtes U. Als Zeichen seiner Huld schenkt Nepals Koenig Untertanen und auslaendischen Gaesten vielleicht mal ein knappes Nicken mit dem Kopf und das kurze Zucken dieses tief herabgezogenen Mundwinkels - die imposante Uniformmuetze oder die traditionelle Kappe, die er traegt, kommen dabei kaum in Bewegung. Haeufig verbirgt Gyanendra sein Gesicht hinter einer schwarzen Sonnenbrille, doch selbst wenn er die absetzt, ist kein Funken Leben in seinen Augen zu sehen. Ein hinduistischer Halbgott, ein liebender Landesvater, der nur des Volkes Wohl im Auge hat? Oder ein ruchloser Tyrann?


Als er am 1. Februar 2005 die Macht in dem Himalajastaat an sich riss, und das knapp 16jaehrige nepalesische Demokratie-Experiment beendete, hatte der Koenig einen guten Grund parat: Die politischen Parteien und Premierminister Sher Bahadur Deuba haetten klaeglich darin versagt, den blutigen Maoistenaufstand in den Griff zu bekommen. Da muesse nun eine harte Hand ran. Viele Nepalesen glaubten das Versprechen des Regenten und hofften instaendig auf Frieden und ein Ende des Buergerkrieges, der inzwischen 13 000 Menschenleben gefordert hat.


Doch Koenig Gyanendra hat nichts erreicht. Statt dessen hat seine repressive Politik dazu gefuehrt, dass sich die Rebellen inzwischen mit der Opposition verbruedert haben. Alle, wirklich alle, sind jetzt gegen ihn. Die Maoisten erklaerten im vergangenen September einen einseitigen Waffenstillstand und schmiedeten eine merkwuerdige Allianz mit Nepals sieben politischen Parteien - gegen den Koenig, denn sonst haben die verschiedenen Gruppierungen nichts gemein. Dessen Haerte gegen alle seine Gegner laesst den Chor der internationalen Kritiker taeglich weiter anwachsen, die da fordern: zurueck zur Demokratie!


Doch statt dessen gewinnt in Nepal das Chaos die Oberhand. Seit letztem Donnerstag protestiert die Opposition, des Koenigs Soldaten reagieren mit Ausgangssperre und Schiessbefehl. Die Demonstranten scheren sich nicht drum und stuermen weiter durch die Strassen von Katmandu - trotz lahmgelegten Mobilfunknetzes, tausender Verhaftungen, verletzten Kindern und einer wachsenden Zahl von Toten.


Nepal ist ein Land der Dramen und Intrigen, wie Shakespeare sie kaum besser haette erfinden koennen. Vor fuenf Jahren metzelte ein liebeskranker Kronprinz nahezu die gesamte koenigliche Familie im Kugelhagel nieder. Was damals wirklich hinter den Mauern des Koenigspalastes geschah, ist bis heute ungeklaert. Seitdem traegt der einzige Ueberlebende des Massakers, Koenig Gyanendra, die Krone. Er ist der juengere Bruder des getoeteten Koenigs Birendra. 1950, als Gyanendra gerade drei Jahre alt war, war er waehrend eines Machtkampfs zwischen dem Shah- und dem Rana-Clan schon einmal zum Koenig ernannt worden, um seinen Grossvater Tribhuvan zu entmachten.


Das Manoever des Rana-Clans misslang aber, die Ernennung Gyandendras wurde annulliert. Also wurde der junge Sproessling der Hindumonarchie erst einmal nach Indien in eine katholische Schule geschickt, spaeter studierte er in Cambridge. Genau wie sein aelterer Bruder verheiratete man ihn 1970 mit einer Tochter des Rana-Clans, um die beiden bis dahin rivalisierenden Dynastien zu verflechten. Mit seiner Frau Komal hat er zwei Kinder.

Bevor er den Thron bestieg, war Gyanendra vor allem wegen seines Engagements fuer den Naturschutz bekannt. Er fuehrt die Mahendra-Umweltstiftung von Nepal und arbeitet in der internationalen Umweltorganisation WWF mit. Ausserdem war er Geschaeftsmann: Er besitzt ein Hotel in Katmandu, eine Teeplantage in Ostnepal und eine Zigarettenfabrik.


Sein Bruder Birendra hatte notgedrungen - auch damals hatte das Volk protestiert, und es kam zu blutigen Zusammenstoessen - vor 16 Jahren als erster Koenig die Mehrparteien-Demokratie in Nepal zugelassen. Doch Gyanendra galt von Anfang an nicht als Freund pluralistischer Politik. In der konstitutionellen Monarchie im Hindukoenigreich Nepal hat der Monarch zwar einen goettlichen Status, eigentlich aber hat er laut Verfassung nur eingeschraenkte Macht - aehnlich wie in Grossbritannien. Gyanendra war das nicht genug: Zweimal loeste er waehrend seiner fuenf Jahren auf dem Thron das Parlament auf und ergriff die vollkommene Kontrolle im Land: Im Oktober 2002 und zweieinhalb Jahre Spaeter, im Februar 2005.


Als er sich das erste Mal so zum Despoten aufschwang, war Gyanendra noch recht unangefochten. Selbst liberale Koepfe im Volke waren damals der Ansicht, dass die Monarchie besser Stabilitaet garantieren koenne als das schwaechliche, zerstrittene Parteiensystem. Der grosse Teufel, den Gyanendra damals wie heute an die Wand malte, zog beim Volk: die Maoisten! Diese kommunistische Gruppe will Nepal in eine Volksrepublik verwandeln. Vor nunmehr zehn Jahren hatten sie ihre Bewegung in den Untergrund verlegt. Innerhalb kuerzester Zeit hat ihr geheimnisvoller Anfuehrer Prachanda in der unwegsamen Bergregion in Nepals Westen einen Aufstand organisiert, der sich seitdem ueber das ganze Land ausgebreitet hat. Die Menschen in den entlegenen rueckstaendigen Gebieten hatten die sozialistischen Slogans zunaechst begierig aufgesogen. Nach kurzer Zeit aber folgen sie den Rebellen aus blanker Angst, denn aus den idealistischen Kommunisten war bisweilen eine rachsuechtige, grausame Horde geworden, die mutmassliche Spitzel foltert, Frauen vergewaltigt und den Tod unschuldiger Zivilisten kaltbluetig in Kauf nahm.


Vor fuenf Jahren schliesslich wurde die Armee zum Kampf gegen die Maoisten ins Feld geschickt und der landesweite Notstand ausgerufen. Die USA, die die Rebellenbewegung als Terroristen einstufen, halfen beim Drill der Soldaten, denn vorher bestanden deren Pflichten nur aus Paraden und Zeremonien in schmucker Uniform. Sie sollten dem Land den Frieden einblaeuen. Wie das Blatt sich wenden kann: Schnell machten auch die Regierungstruppen sich einen Namen als Moerder und Folterknechte. Heute kritisiert Washington den Oberbefehlshaber der Truppen, seine Majestaet hoechstpersoenlich, und fordert lauter als alle anderen die Rueckkehr zur Demokratie. Und die Maoisten sind die Verbuendeten der politischen Mainstream-Parteien geworden, Opfer und Taeter von einst ziehen nun an einem Strang.


Am Fusse des Himalajas herrscht Krieg, ein Krieg um die Demokratie. Obwohl der Druck im In- und Ausland waechst, macht Koenig Gyanendra keine Anstalten, seine Autoritaet einzuschraenken. Doch lange, meinen Beobachter, wird der 59jaehrige sich nicht mehr halten koennen - trotz schussbereiter Polizei, die den Befehl hat, auf die eigenen Landsleute zu feuern. "Die Tage des Koenigs sind gezaehlt", liess der Kommunist Sova Sakopta ueber die internationale Presse verkuenden. Entweder werde er bei Nacht und Nebel ins Exil fluechten - oder er werde umgebracht. Und damit haette Nepal, das "letzte Shangri-La", ein weiteres blutiges Drama.

Artikel erschienen am Do, 13. April 2006

Vierter Demonstrant erschossen
Nepalesische Sicherheitskraefte haben zum vierten Mal in fuenf Tagen einen Demonstranten erschossen. Der Vorfall ereignete sich bei einer Protestkundgebung gegen die Alleinherrschaft von Koenig Gynanendra in Parasi, einer Ortschaft im Sueden des Himalaya-Staats. Nach Angaben eines Behoerdenvertreters griffen dort mehrere hundert Demonstranten die Polizei mit Steinen und Ziegeln an.


Die nepalesische Polizei hat am Mittwoch 29 Journalisten festgenommen, die gegen die Unterdrueckung der Medien durch die Regierung protestierten. Rund 100 Medienvertreter waren dem Aufruf des nepalesischen Journalistenverbandes zu einer Kundgebung in der Hauptstadt Katmandu gefolgt. Anhaenger der Opposition setzten ihren Generalstreik am sechsten Tag fort. Sie fordern die Rueckkehr zu demokratischen Verhaeltnissen.


Zuvor hatte die EU am Dienstag die zunehmende Gewalt in Nepal verurteilt und alle beteiligten Parteien zur Zurueckhaltung aufgerufen. Oesterreich, das momentan den Vorsitz der EU haelt, rief den Koenig dazu auf, die Demokratie wiederherzustellen. DW

Abgeschickt von am 13. April 2006 um 09:07 Uhr.


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